2008 – Rosengarten / Sella – 04 Dienstag

 


Dienstag, 26.8.2008

Der heutige Tag beginnt etwas stressig, weil der Hüttenwirt möglicherweise mit dem falschen Bein aufgestanden ist. Jedenfalls beschwert er sich lautstark darüber, dass wir zu früh, zu oft und vor allem zu laut auf die Toilette gegangen seien. Doch genauso schnell, wie er sich aufgeregt hat, hat er sich auch wieder beruhigt. Eigentlich ist er doch ein ganz netter Kerl. Gerne gibt es uns noch einen Nachschlag an Kaffee und Brötchen.

Trotz der langen Wegstrecke bis zum Rifugio Boé brechen wir erst relativ spät gegen 8:30h auf. Der Aufstieg zur Langkofelscharte beginnt moderat, wird aber zunehmend steiler und anstrengender. Auf der Toni Demetz Hütte genehmigen wir uns – nach dem 1 stündigen Aufstieg – einen leckeren Cappuccino und ein ebenso schmackhaftes Stück Buchweizenkuchen. Aufgrund des noch anstehenden Aufstiegs zum Rifugio Boé wollen wir mit der Seilbahn zum Sellajoch abfahren. Die entpuppt sich dann als das Highlight des Tages. Die Bahn besteht aus 63 umlaufenden Sardinendosen für jeweils zwei Personen. Die Umlaufgeschwindigkeit ist nicht gerade langsam. Zum Einteigen stellen sich die beiden Probanden im Abstand von ca. 4 Metern auf die vorhandenen Bodenmarkierungen. Dann, mit dem Vorbeifahren der Gondel, heißt es die Beine in die Hand nehmen und beherzt in die Gondel zu springen. Nicht gerade einfach, mit einem 14kg schweren Rucksack auf dem Rücken. Wenn man, so wie Heike und ich, diese Prozedur noch niemals mit ansehen konnte, ist diese Art des Einsteigens doch sehr gewöhnungsbedürftig. Der Ausstieg hingegen ist vergleichsweise einfach. Durch die im Rücken geöffnete Tür der Gondel greiffen uns starke Arme und halten uns einfach fest. Dadurch fährt die Gondel unter uns hinweg und wir müssen nur aus sehr geringer Höhe auf den Boden springen.

Das Sellajoch präsentiert sich wie erwartet als Touristen Hochburg. Bussen, Autos und Motorräder drängeln sich auf den Parkplätzen und auf der Straße. Besonders abschreckend wirkt die Schlange von Menschen an der Seilbahn.

Vom Sellajoch aus laufen wir auf der Straße bis zum Einstieg in das “Val Lasties”. Konkret bedeutet dies einen kleinen Aufstieg von 70m, gefolgt von einem Abstieg von 270m. Dort treffen wir auf den Abzweig des Wanderwegs 656. Kurz vor dem Abzweig schenken wir einigen in der Wand hängenden Seilschaften unsere Aufmerksamkeit. Wie gerne würde ich jetzt auch dort ein paar Seillängen klettern. Trotz der nahezu 900m Höhendifferenz ist der Aufstieg relativ angenehm. In erster Linie liegt dies, meiner Meinung nach, an den stark wechselnden Steigungen. Relativ steile Passagen im Bereich von 200 Höhenmetern wechseln sich mit fast ebenen Teilstücken ab. Je höher wir kommen, desto mehr glauben wir uns in einer Mond- oder Marslandschaft zu befinden. Selten haben wir so steile Wände und fast schon staubige Landschaften gesehen. Die Gipfel sehen aus, als ob sie bereits vor tausenden von Jahren zu Staub zerfallen seien.

Auf den Hochplateaus gibt es durchaus bemerkenswerte Spalten, denen wir im Nebel lieber nicht zu nahe kommen wollten. Gut, dass es heute nicht nebelig ist. Dafür sieht es sehr nach Gewitter aus. Doch im Endeffekt bleibt es trocken. Dieses Jahr ist das Wetter auf unserer Seite.

Im Rifugio Boé gibt es keine Duschen und die Wassertemperatur liegt bei knapp 6°C. Das Waschen, besonders der Haare und der Füße, ist ein ganz spezielles Erlebnis. Doch was soll’s. Irgendwann muss es ja sein. Nicht weit vom Rifugio Boé entfernt liegt der beeindruckende Einstieg in das “Val de Mezdi”. Ein gewaltiger Anblick.

© Heike und Thomas Raddatz