2006 – Silvretta/Verwall – 03 Montag

 


 

Montag 4.9.2006

Wir verlassen das „Madlener Haus“ um 8:50h bei strahlendem Sonnenschein. Die „Bielerhöhe“ sieht besser aus, als erwartet. Es gibt nur 2 größere Hotels.

Mit moderater Steigung geht es am „Weißen Bach“ entlang. Das reißende Wasser und die Aussicht sind herrlich. Nach 1:45 Stunden Gehzeit machen wir die erste Rast.

Zunächst geht es relativ eben weiter. Danach wird es zunehmend steiler. Die letzten 200 Höhenmeter werden – für meinen Geschmack – richtig steil. Lutz bekommt immer mehr Probleme mit der ungewohnten Höhenluft. Nachdem wir zuerst Teile von Lutz’ Gepäck auf Andreas und mich verteilt hatten, tragen dann erst Andreas und später ich Lutz’ Rucksack nach oben. Die ersten Meter ohne Stöcke, dafür mit einem zweiten Rucksack sind äußerst beschwerlich. Danach geht es besser. Trotzdem muss ich alle 10-15 Schritte stehen bleiben und Luft holen. Ich komme mir vor wie auf einer Everest Expedition.

Gegen 13:15h erreicht ich 15 Minuten vor Lutz und Andreas die „Getschnerscharte“. Geschafft, aber sehr zufrieden werfe ich die Rucksäcke zur Seite und lege mich in eine sehr bequeme Mulde aus Fels. Der Wind lässt augenblicklich nach und die Sonne brennt.

Nach ca. 20 Minuten Erholungsphase breche ich alleine zur „Hintere Getschnerspitze“ auf. Ein kitzeliges Seilstück und viel Handarbeit runden den luftigen Aufstieg ab. Nach ca. 60 Höhenmetern und einer kurzen Rast kehre ich zu den Wartenden zurück, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Der Gesamtzeitaufwand wäre zu groß gewesen.

Gegen 14:10h nehmen wir den Abstieg in Angriff. Sehr steil geht es auf schlüpfrigem Grund abwärts. An zwei Steilstufen müssen wir die Hände bemühen, um die Hindernisse zu überwinden. Schnee gibt es nur noch wenig; erfordert aber dennoch unsere ganze Aufmerksamkeit.

Die nächste Rast – gegen 16:00h – ist super. Wir liegen in der durch kleine Wolken unterbrochenen Sonne und lassen die Seele baumeln. Nach gut 25 Minuten geht es weiter. Der sich zunächst weigernde Bewegungsapparat wird im Laufe der nächsten 20 Minuten überzeugt, dem Geist zu folgen. Die Landschaft wird immer grüner und bald fühlen wir uns wieder wie zu Hause: Wir laufen wieder im Wasser. Ein Frosch stürzt sich den Berg hinab, ein schwarzer Lurch flüchtet schleichend zur Seite. Ihm ist es wohl schon zu kalt.

Im Tal erwartet uns ein reißender Wildbach, den wir mit Hilfe einer Stahlbrücke queren. Der sich anschließende Anstieg zur „Jamtalhütte“ steigt angenehm an und entspannt die vom Abstieg verkrampften Füße. Im Gegensatz zu den voran gegangenen zwei Tagen erreiche ich gegen 17:30h relativ entspannt die Hütte.

Die „Jamtalhütte“ ist für meinen Geschmack zu groß und ungemütlich. Wir müssen um 18:00h zum essen erscheinen – serviert wird aber erst um 18:30h. Merkwürdige Gebräuche sind das hier. Aber: Das Essen schmeckt gut! Allerdings: Im Gastraum ist es laut wie in einer Bahnhofshalle. Die Hütte erreicht insgesamt auf meiner nach unten offenen Bewertungsskala einen sehr kleinen Wert.

Ergänzung vom 17.08.2015:

Dieses Jahr war ich erneut auf der Jamtalhütte als Betreuer der Wuppertaler MS Klettergruppe “Die Gämsen”. Meine Beurteilung der Jamtalhütte hat sich dabei um 180° gedreht. Zwar ist es im Gastraum immer noch laut und auch der Ablauf des Abendessens folgt noch den gleichen Regeln, doch sehe ich dies inzwischen mit anderen Augen. Aufgrund der Größe der Hütte sind die Gäste gebeten um 17:30h beim Abendessen zu erscheinen, um zunächst die Getränkebestellungen entgegen nehmen zu können. Danach kümmert sich das Team der Hütte um die Essensausgabe.

Ganz besonders hervorheben möchte ich jedoch die äußerst engagierte Betreuung der “Gämsen” durch die Familie Lorenz und ihr Team. Hierbei hat sich das gesamte Team, getreu dem Motto der Familie Lorenz ein Bein ausgerissen:

“Wo´s Herzerl weit ischt, do ischt o des Haus nit z´eng.”

Auf diesem Wege daher nochmals mein Dank an alle Mitarbeiter der Jamtalhütte für die stets freundliche und engagierte Betreuung. Vielen Dank auch dafür, dass ihr es uns ermöglicht habt, diese unvergessliche Woche bei euch zu verbringen.

© Heike und Thomas Raddatz